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Keine Entfristung von Arbeitsverhältnissen aufgrund Urlaubsgewährung
Thursday, February 16, 2023

Bundesarbeitsgericht (BAG) konkretisiert Anforderungen an Fortsetzungshandlungen im Rahmen des § 15 Abs. 6 TzBfG

Wird ein Arbeitsverhältnis nach Erreichen des vereinbarten Zwecks oder über die vereinbarte Befristungsdauer mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt und widerspricht dieser nicht unverzüglich der Weiterarbeit des Arbeitnehmers oder teilt dem Arbeitnehmer die Zweckerreichung nicht unverzüglich mit, entsteht kraft Gesetzes ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (§ 15 Abs. 6 TzBfG n.F.; §15 Abs. 5 TzBfG a.F.).

Das BAG hatte sich nun mit der Frage auseinander zu setzen, ab wann von einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auszugehen ist und konkret mit der Frage, ob eine Urlaubsgewährung im Anschluss an das Befristungsende hierfür ausreichend ist.

1. SACHVERHALT

Der Kläger war seit dem Jahre 1987 in einem Beamtenverhältnis bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt und seit dem Jahre 1999 als Beamter in diesem Verhältnis beurlaubt. Während der Beurlaubung war er im Rahmen mehrerer befristeter Arbeitsverträge – also als Arbeitnehmer in einem normalen Arbeitsverhältnis – mit unterschiedlichen Aufgaben für die Beklagte tätig. Der zuletzt befristete Arbeitsvertrag lief am 30. September 2020 aus. Vor dem vereinbarten Befristungsende gewährte die Beklagte dem Kläger Resturlaubstage für einen Zeitraum nach Ende der vereinbarten Befristung, beginnend mit dem 1. Oktober 2020. Neue Aufgabe zur Fortsetzung der Zusammenarbeit im Rahmen eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses gab es für den Kläger nicht. Die Beklagte ging daher davon aus, dass das ruhende Beamtenverhältnis ab dem 1. Oktober 2020 wieder aufgelebt sei. Der Kläger hingegen machte geltend, dass aufgrund der Urlaubsgewährung das Arbeitsverhältnis in Kenntnis der Beklagten fortgesetzt worden und damit gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG a.F. ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei.

2. ENTSCHEIDUNG DER VORINSTANZEN

In den ersten beiden Instanzen hatte der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 30. Juni 2022 – 3 Sa 19/21) führte zur Begründung seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 18. Oktober 2006 – 7 AZR 749/05) aus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bewusst und in der Bereitschaft fortsetzen müsse, die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiter zu erfüllen. Der Arbeitnehmer habe danach die vertragsgemäßen Dienste nach Ablauf der Vertragslaufzeit tatsächlich auszuführen. Nach Ansicht des LAG reiche – ebenso wie im Anwendungsbereich des § 625 BGB – die bloße Urlaubsgewährung hierfür nicht aus. In Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung erfordere die Rechtsfolge eines auf unbestimmte Zeit verlängerten Arbeitsverhältnisses vielmehr eine tatsächliche Weiterarbeit nach Auslaufen eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages (BT-Drucksache 14/4374, S. 21). An einer solchen Weiterarbeit fehlte es im vorliegenden Fall jedoch.

3. ENTSCHEIDUNG DES BAG UND KONSEQUENZEN

Das BAG hat die Ansicht der Vorinstanzen nun mit Entscheidung vom 9. Februar 2023 (7 AZR 266/22) in der Sache bestätigt und die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg zurückgewiesen.

Zu dem Urteil liegt keine Pressemitteilung vor. Dennoch lässt sich prognostizieren, dass das BAG mit seiner Entscheidung einen langjährigen Streit in der Literatur im Zusammenhang mit § 15 Abs. 5 TzBfG a.F. (§ 15 Abs. 6 TzBfG n.F.) unternehmensfreundlich entschieden hat. So war in der Literatur bisher umstritten, ob auch die Gewährung von Erholungsurlaub für einen Zeitraum nach Ende einer vereinbarten Befristung für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 15 Abs. 6 TzBfG ausreichen könne. Vereinzelt wurde dies bejaht. Zu einer solchen Konstellation kann es bspw. dann kommen, wenn – wie im nun durch das BAG entschiedenen Fall – die Arbeitsvertragsparteien davon ausgehen, das Arbeitsverhältnis im Anschluss an das vereinbarte Befristungsende fortsetzen zu können und vor diesem Hintergrund bereits Urlaubspläne abstimmen. Mit seiner Entscheidung erteilt das BAG dieser Ansicht eine klare Absage und sorgt damit – nicht nur für den öffentlichen Dienst – für Rechtssicherheit. Ein Arbeitsverhältnis wird im Sinne des § 15 Abs. 6 TzBfG n.F. nur dann „mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt“, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich weiterarbeitet. Die Inanspruchnahme von Resturlaub – nichts anderes dürfte für andere „Fortsetzungshandlungen“ wie die (vermeintliche) Gewährung von Freizeitausgleich für Überstunden gelten – genügt dafür nicht. Da der Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses allerdings nicht mehr in natura gewährt werden kann, wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen solchen auf Urlaubsabgeltung.

In der Konsequenz heißt das damit nicht, dass etwa Überstunden nach Ende der vereinbarten Befristung noch wirksam abgebaut werden könnten. Vielmehr können Arbeitnehmer:innen in einem solchen Fall – sofern sie die geltende Darlegungs- und Beweislast erfüllen (hierzu: Blogbeitrag vom 13. Mai 2021 „ARBEITSZEITERFASSUNG – Die Dokumentation von Arbeitszeiten und deren Bedeutung für Unternehmen“) – die Abgeltung solcher Zeiten verlangen. So sprach auch das LAG Hamburg dem Kläger die hilfsweise geltend gemachte Urlaubsabgeltung für während des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Resturlaubs in Höhe von insgesamt EUR 10.656,34 zu. Hierdurch wird zugleich deutlich, dass der Umstand, dass zwischen den Parteien vorliegend zusätzlich ein ruhendes Beamtenverhältnis fortbestand – eine Besonderheit der ehemaligen Staatsunternehmen wie Telekom AG und Post AG –an der Allgemeingültigkeit der bestätigten Ausführungen der Vorinstanzen nichts ändert.

Trotz dieser im Ergebnis arbeitgeberfreundlichen Entscheidung des BAG sollten Unternehmen auch in Zukunft unbedingt weiterhin darauf achten, befristet ausscheidende nach Ende des Befristungszeitraums nicht „versehentlich“ weiter zu beschäftigen oder – sollte dies im Einzelfall doch passieren – der Weiterarbeit sofort zu widersprechen. Vorgesetzte sollten rechtzeitig über ein anstehendes Befristungsende informiert werden, damit es zu solchen Problemfällen erst gar nicht kommen kann.

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