Die weitere Erhöhung des Mindestlohns auf € 12,00 ist noch in diesem Jahr zu erwarten und stellt für Arbeitgeber eine zunehmende Belastungsprobe dar. Umso wichtiger erscheint es, zu wissen, welche Gruppen überhaupt mindestlohnberechtigt sind. Häufig betreffen die dahingehenden Unsicherheiten in der Praxis Praktikant:innen. Hierzu regelt das Mindestlohngesetz (MiLoG), dass Pflichtpraktika ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen – doch gilt dies auch für Praktika, die erst Voraussetzung für die Zulassung zur Hochschule sind? Das BAG hat hierzu vergangene Woche eine Entscheidung getroffen.
Hintergrund
Die Klägerin hat sich bei einer privaten Universität für ein Medizinstudium beworben. Die Studienordnung der Universität setzt zur Zulassung ein sechsmonatiges Praktikum im Krankenpflegedienst voraus. Ein solches Pflegepraktikum hat die Klägerin bei der Beklagten absolviert, wobei sie gemäß der geschlossenen Vereinbarung hierfür keine Vergütung erhielt.
Im Anschluss machte sie für die geleistete Arbeit Mindestlohnansprüche in Höhe von über EUR 10.000 klageweise geltend. Sie war der Ansicht, das Mindestlohngesetz sei anwendbar, da es sich nicht um ein vom Anwendungsbereich ausgeschlossenes Pflichtpraktikum im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 2 MiLoG handele. Dies setze nach dem Gesetzeswortlaut eine „hochschulrechtliche Bestimmung“ voraus, auf dessen Basis das Praktikum verpflichtend sei. Durch eine solche Bestimmung könne man jedoch nur zu einem Praktikum verpflichtet werden, wenn man dieser Bestimmung bereits im Rahmen eines besonderen Gewaltverhältnisses oder eines Vertragsverhältnisses zwischen der Universität einerseits und dem eingeschriebenen Studenten andererseits unterliege. Das sei nach Ansicht der Klägerin bei ihr aber nicht der Fall gewesen, weil das Praktikum erst Voraussetzung für eine Bewerbung an der Universität gewesen sei.
Die Entscheidung
Das BAG hat die Klage wie auch schon das LAG Rheinland-Pfalz als Vorinstanz abgewiesen. Der bislang ausschließlich vorliegenden Pressemitteilung des BAG lässt sich entnehmen, dass es bei seiner Entscheidung für unerheblich hielt, ob ein Pflichtpraktikum im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 2 MiLoG während des Studiums stattfindet oder aufgrund einer Studienordnung erst Voraussetzung für die Zulassung zum Studium ist. Auch das LAG hatte insoweit bereits angeführt, dass die Gesetzesmaterialien für ein weites Begriffsverständnis sprechen würden. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens habe sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, statt des engeren Begriffs der „Studienordnung“ den weiter gefassten Begriff der „hochschulrechtlichen Bestimmung“ in den Gesetzestext aufzunehmen, womit ausdrücklich auch Zulassungsordnungen, welche die Absolvierung eines Praktikums als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorschreiben, erfasst sein sollten.
Dabei komme es nach dem BAG auch nicht darauf an, ob die Universität staatlich ist und damit auch die Zulassungsvoraussetzungen von staatlicher Seite geschaffen worden seien. Allein maßgeblich sei, ob die Universität – wie im vorliegenden Fall – von staatlicher Seite anerkannt worden ist. Hierdurch sei die von der Universität erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen werde.
Fazit
Die Entscheidung des BAG ist überzeugend und in der Sache eindeutig: Arbeitgeber, die Praktika anbieten, welche als Voraussetzung zur Zulassung von Hochschulen verpflichtend sind, können aufatmen. Auch weiterhin fallen solche Pflichtpraktika nicht in den Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes und können daher – so wie gerade im medizinischen Bereich üblich – grundsätzlich auch ohne Vergütung angeboten und durchgeführt werden.