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(Fremd-)Geschäftsführer – Arbeitgeberrepräsentant oder doch „nur“ Arbeitnehmer?
Friday, February 23, 2024

Vor kurzem hatte sich Dr. Thomas Gennert in diesem Blog mit einer Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 20. Juli 2023 – 6 AZR 228/22) auseinandergesetzt und die Frage erörtert, unter welchen Umständen (Fremd-)Geschäftsführer in den Anwendungsbereich von gesetzlichen Kündigungsschutzvorschriften fallen und ihre Anstellungsverhältnisse von Betriebsübergängen erfasst sein können.

Ebenfalls im Sommer 2023 hat sich das BAG mit der Frage befasst, ob Fremdgeschäftsführer nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses Urlaubsabgeltung geltend machen können (BAG, Urteil vom 25. Juli 2023 – 9 AZR 43/22):

  1. Der Sachverhalt

Die Klägerin war zunächst als Arbeitnehmerin bei der Beklagten beschäftigt und seit 2012 als Geschäftsführerin angestellt, zuletzt auf einem Dienstvertrag aus dem Jahr 2016. Ihr vertraglicher Urlaubsanspruch belief sich auf 33 Tage im Kalenderjahr.

Seit 2018 wurde die Klägerin in einer Geschäftsstelle der zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörenden GmbH eingesetzt. Die Beklagte übernahm für diese GmbH bestimmte entgeltliche Dienstleistungs- und Beratungstätigkeiten und stellte dieser dazu „ihre Geschäftsführerin … im erforderlichen Umfang für den o. g. Tätigkeitsbereich zur Verfügung“. Die Klägerin hatte hierbei gewisse Vorgaben einzuhalten (bspw. Arbeitszeiten, Durchführung von Kaltakquise und Kundenbetreuung, Kontroll- und Überwachungsaufgaben).

Nachdem die Klägerin ihr Amt als Geschäftsführerin mit Erklärung von 5. September 2019 niederlegte, wurde sie am 17. September 2019 aus dem Handelsregister ausgetragen. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien endete aufgrund der Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. Juni 2020. Seit dem 30. August 2019 erbrachte die Klägerin keine Leistungen mehr; sie war arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte nahm daraufhin die Klägerin auf Rückzahlung von erhaltenen Tantiemenzahlungen vor dem Amtsgericht in Anspruch. Die seitens der Klägerin erhobene Widerklage auf Entgeltfortzahlung wurde vom Amtsgericht abgetrennt und an das Arbeitsgericht verwiesen. Dort machte die Klägerin im Wege einer Klageerweiterung Urlaubsabgeltung für insgesamt 38,5 Tagen geltend, insgesamt EUR 11.294,36 brutto.

  1. Die Entscheidung

Wie bereits zuvor das Landesarbeitsgericht entschied auch das BAG, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung zustehe. Die Klägerin sei Arbeitnehmerin im Sinne des § 1 BUrlG. Das BUrlG setze die Vorgaben des Art. 7 RL 2003/88/EG um, deshalb sei die Norm europarechtskonform auszulegen und nicht der nationale, sondern der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zu Grunde zu legen. Da die Klägerin während bestimmter Zeiten für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen zu beringen hatte und als Gegenleistung eine Vergütung erhielt, seien die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs erfüllt. Zudem hielt die Klägerin weder die Mehrheit noch eine Sperrminorität an den Anteilen der Gesellschaft und konnte jederzeit als Geschäftsführerin abberufen werden.

  1. Der Kontext

Spätestens seit der Danosa Entscheidung des EuGH im Jahr 2010 (EuGH, Urteil vom 11. November 2010 – C-232/09) ist klar, dass Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts sein können. Zwar ist hierfür immer eine Beurteilung im konkreten Einzelfall erforderlich. Die danach notwendige Weisungsgebundenheit ist – auch ohne die eher untypischen festen Arbeitszeiten und detailliert beschriebenen Pflichten wie die des Klägers in dem vom BAG zu entscheidenden Fall – regelmäßig bereits aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Weisungsgebundenheit von Geschäftsführern einer GmbH (§§ 37, 46 Nr. 5, 6 und 8 GmbHG) sowie deren jederzeitigen Abrufbarkeit (§ 38 GmbHG) gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 – II ZR 244/17). Eine Ausnahme gilt wohl lediglich dann, wenn sie aufgrund einer Sperrminorität unerwünschte Weisungen verhindern können oder aber selbst Mehrheitsgesellschafter sind (vgl. BAG, Urteil vom 25. Juli 2023 – 9 AZR 43/22).

Es hängt demnach immer vom Ursprung der jeweiligen Arbeitnehmerschutzvorschrift ab, ob ein (Fremd-)Geschäftsführer von deren Anwendungsbereich erfasst werden kann oder nicht. So ist bspw. der Arbeitnehmerbegriff des KSchG und des ArbGG rein national determiniert; u.a. der des AGG, MuSchG und eben auch des BUrlG hingegen europarechtlich. Der Arbeitnehmerbegriff dort ist daher jeweils unionsrechtskonform auszulegen und erfasst somit regelmäßig auch (Fremd)Geschäftsführer.

  1. Die Konsequenzen

Dass (Fremd-)Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des BUrlG sind, hat mehrere Konsequenzen. Nicht nur haben sie demnach Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch in Höhe von 20 Tagen (bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche) und können ggf. Urlaubsabgeltung im Falle der Beendigung ihres Dienstverhältnisses geltend machen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie auch den weiteren Besonderheiten der Urlaubsrechtsrechtsprechung unterfallen, die der EuGH in den letzten Jahren entwickelt hat. So verfallen Urlaubsansprüche bei langandauernder Krankheit frühestens 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem sie entstanden sind (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 − C-214/10). Urlaubsansprüche verfallen zudem nur dann, wenn Arbeitgeber zuvor ihren Hinweisobliegenheiten nachgekommen sind (EuGH, Urteil vom 6.11.2018 – C-684/16).

Auch (Fremd-)Geschäftsführer müssen demnach künftig auf offene Urlaubsansprüche hingewiesen und deren Inanspruchnahme seitens der Gesellschaft ermöglich werden, wenn deren Verfall (nach Ablauf eines Übertragungszeitraums) erfolgen können soll. Ohne entsprechenden Hinweis werden Urlaubsansprüche künftig auch nicht einfach verjähren (vgl. BAG, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20). Lediglich Urlaubsabgeltungsansprüche von (Fremd-)Geschäftsführern können als reiner Geldanspruch weiterhin ohne vorherige Einhaltung der Hinweisobliegenheit verfallen oder aber verjähren (vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 2022 – 9 AZR 461/21).

Um den benannten Hinweisobliegenheiten nachzukommen, wird wohl die Gesellschafterversammlung in der Pflicht stehen. Ob dies durch eine ausdrückliche Weisung oder aber auch im Rahmen der dienstvertraglichen Pflichten geregelt werden kann, ist offen. Vorsichtshalber sollte die Gesellschafterversammlung daher künftig (Fremd-)Geschäftsführer zur Urlaubsinanspruchnahme anhalten und auf die Verfallmöglichkeiten hinweisen. Dies sollte durch einen formellen Akt (Hinweisschrieben/E-Mail) erfolgen und entsprechend dokumentiert werden. Andernfalls besteht ggf. das Risiko, dass (Fremd-)Geschäftsführer im Falle ihres Ausscheidens künftig häufiger Urlaubsabgeltungsansprüche werden geltend machen.

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